Neue Kraft finden und sich getragen fühlen
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Neue Kraft finden und sich getragen fühlen

Manchmal setzt man sich für etwas intensiv ein, und kommt trotzdem nicht weiter. Dann bringt es nichts, sich noch mehr anzustrengen. Stattdessen braucht es etwas anderes: die Bereitschaft, loszulassen und sich wie von einer Welle tragen zu lassen. Wie wir in schwierigen Zeiten neue Kraft finden und uns wieder getragen fühlen können, zeigt dieser Beitrag.

Wenn nicht weiterhilft, was man tut

Es gibt Situationen, in denen man viel unternommen und gekämpft hat und dennoch spürt: es geht nicht voran. Was einem üblicherweise hilft, Einsatz und Durchhaltevermögen, scheint keine Wirkung mehr zu haben.

Vor allem Menschen, die sich viel einsetzen und viel leisten, geraten irgendwann an diesen Punkt. Nicht, weil sie zu schwach sind – sondern im Gegenteil, weil sie immer stark waren. Und weil sie glauben, es auch weiterhin sein zu müssen.

So kam eine Klientin zu mir, um neue Kraft zu finden. Sie hatte lange erfolglos an ihrer Ehe gearbeitet, unzählige Gespräche geführt, sich angepasst, Verständnis aufgebracht. Doch nun war sie müde und kraftlos. Am meisten sehnte sie sich danach, einmal nicht stark sein zu müssen, loslassen zu dürfen und sich dabei aufgefangen zu fühlen.

Neue Kraft finden in der Verbundenheit

Gerade weil wir aus Gewohnheit dazu neigen, immer noch mehr zu tun, braucht es hier etwas ganz anderes, um neue Kraft zu finden – statt noch ein Schritt, noch ein Gespräch, noch ein Konzept.

Es braucht vielmehr ein Loslassen vom Gedanken „ich muss etwas tun“. Und es braucht etwas Vertrauen – oder zumindest die Offenheit –, dass das möglich ist.

Was heißt das? Die meisten kennen Augenblicke, in denen sie sich getragen fühlten, im Fluss waren. Als würde eine größere Bewegung sie halten – wie eine Welle, die einen aufnimmt, ohne dass man selbst schwimmen müsste.

Oft beginnt dieses Gefühl damit, dass wir nicht mehr gegenhalten, sondern innehalten. Und dass wir dem Gefühl, von etwas Größerem getragen zu werden, Raum geben.

Solche Momente entstehen oft in der Natur, wenn wir ihre Geräusche und Gerüche auf uns wirken lassen, wenn wir innerlich still werden und eins mit allem um uns herum. Es kann auch ein Kirchenraum sein, der uns still umfängt oder unser Atem, wenn er uns bewusst wird. Das Spielen eines Instruments kann eine sehr starke tragende Wirkung haben – wenn wir ganz in der Musik aufgehen, und sich die Finger wie von selbst bewegen.

Immer dann, wenn wir uns einer Sache hingeben und nicht alles im Griff haben wollen, entsteht ein Gefühl von Verbundenheit und Einssein. Und genau in solcher Verbundenheit lässt sich neue Kraft finden.

Neue Kraft finden durch Hingabe

Die Klientin, die sich danach sehnte, sich getragen zu fühlen, ermutigte ich, wieder Klavier zu spielen – als Möglichkeit, sich der Musik hinzugeben und sich von ihr tragen zu lassen. Dadurch fand sie nach und nach wieder in ihre Kraft und spürte, dass sie ihren eigenen Weg gehen konnte.

Eine andere Klientin kam zu mir, nachdem sie über längere Zeit am Arbeitsplatz mit Ausgrenzung und unterschwelliger Ablehnung zu kämpfen hatte. Sie hatte Gespräche geführt, Rückmeldungen gegeben, es immer wieder neu versucht – doch ohne spürbare Veränderung. Am Ende fühlte sie sich erschöpft und ohne Perspektive.

Spaziergänge in der Natur wurden schließlich zu ihrer Kraftquelle. In der Stille, im Spiel von Licht und Wind, spürte sie ihre Lebendigkeit neu. Sie gewann dadurch auch innere Klarheit – und den Mut, ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

Solche Momente zeigen: Neue Kraft finden wir nicht im immer weiteren Tun – sondern in der Hingabe. In der stillen Verbindung mit dem, was uns innerlich trägt.

Eine kleine Übung für den Alltag

Auch eine kleine Atemübung kann dabei helfen – und etwas in uns kommt wieder in Fluss:

  • Wir setzen uns bequem hin und spüren den Kontakt der Füße mit dem Boden.
  • Die Augen dürfen sich schließen, eine Hand ruht auf dem Bauch.
  • Nun richten wir die Aufmerksamkeit für einen Moment auf den Atem – wie er kommt und wie er geht.
  • Beim Ausatmen stellen wir uns vor, dass alles mit dem Atem fortgetragen wird, was uns beschwert – auch jedes „Ich muss“.
  • Beim Einatmen stellen wir uns vor, wie wir getragen werden – von etwas Weichem: einer Welle aus Licht, aus Wärme oder stiller Kraft

Wir bleiben für ein, zwei Minuten in dieser Vorstellung – oder so lange, wie es sich stimmig anfühlt.

Wahrscheinlich spürt man danach wieder ein wenig mehr Kraft. Und manchmal entwickelt sich mit der Zeit auch ein neuer Weg – nicht durch Anstrengung, sondern aus dieser inneren Kraftquelle heraus.

 

Als Diplom-Psychologin, Beraterin, Trainerin und Supervisorin inspiriert Anna-Maria Steyer Menschen, innere Klarheit, Leichtigkeit und stimmige Lösungen auch in schwierigen Situationen zu finden.