Ein kurzer Weg zu innerer Stille
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Ein kurzer Weg zu innerer Stille

Meistens haben wir schon im normalen Alltag den „Kopf voll“. Bei Stress sieht es da aus wie auf einem Rummelplatz. Gedanken überschlagen sich, drehen und wiederholen sich und der innere Lärmpegel ist hoch. Man kommt im Kopf nicht zur Ruhe. Stellen Sie sich nun vor, wie es wäre, wenn Sie ohne besonderen Aufwand Ihr Gedankenkarussell sofort spürbar verlangsamen könnten?

Das Gedankenkarussell macht Stress

Doch zunächst: Woher kommt der innere Lärmpegel? Er ist zum einen die Folge von Stress, aber zum anderen erzeugt er seinerseits auch Stress. Die meisten Menschen denken, Stress käme von außen. Doch außen gibt es nur Ereignisse. Die haben für sich genommen keine Bedeutung.

Wir verleihen Ereignissen eine Bedeutung, indem wir sie interpretieren und bewerten. Das läuft automatisch ab und ist den meisten nicht einmal bewusst.

Je mehr wir etwas als „stressig“ bewerten, umso stärker ist die Stressreaktion des Körpers. Je mehr Stresshormone sich dann im Blut befinden, umso mehr neigen wir zu stressenden Gedanken. Diese wiederum befeuern die Ausschüttung weiterer Stresshormone und so weiter. Dies ist ein regelrechter Teufelskreis, der zu chronischer Anspannung führt. Wir haben dann keine Präsenz mehr. Wir sind nur noch im Kopf.

Viele Menschen sind an ihren Anspannungszustand schon so gewöhnt (s.a. Die Macht alter Gewohnheiten – 6 gute Nachrichten), dass sie sich auch in äußerlich völlig ruhigen Zeiten, stressige Gedanken machen. Sie sagen sich dann z.B.: „Ich kann jetzt nicht entspannen, ich muss noch dies und jenes erledigen“.

Und wenn sie dann im Bett liegen, vom Alltag loslassen und entspannen könnten, geht das Gedankenarussell meist erst richtig los (siehe auch: Leichter einschlafen ohne Grübeln).

Weitere Gedanken erzeugen weiteren Stress

Wer schon einmal versucht hat, den Lärm im Kopf durch Vorsätze zu beenden, hat vermutlich festgestellt, dass sich dadurch nichts ändert. Sätze wie z.B.: „Ich müsste entspannen können!“ sind ja nur weitere unproduktive Gedanken.

Zudem kommt auch noch oft die Vorstellung hinzu, man müsse erst mal aufwändige Entspannungstechniken erlernen. Statt innere Ruhe zu finden, wird dadurch die subjektive Aufgabenliste noch voller. Der innere Druck und schlechtesGewissen werden größer.

Gedanken sind wie Geräusche in der Stille

In meinem Beitrag Klang der Stille beschreibe ich ein überraschendes Stille-Erlebnis in einer langen persönlichen Stressphase. Wie konnte es gelingen? Ich war zu dem Zeitpunkt einfach zu erschöpft, um der Gedankenmühle weiteren Schwung zu geben.

Auch habe ich meine Müdigkeit endlich ernst genommen. Der Lärm in meinem Kopf wurde allein dadurch schon spürbar leiser. Beim anschließenden Waldspaziergang machte ich dann die beschriebene intensive Stille-Erfahrung.

Gedanken sind wie Geräusche in stiller Umgebung. Wenn wir nicht an ihnen festhalten, dann verflüchtigen sie sich. Die Stille, die wir gewöhnlich draußen suchen, ist in Wahrheit die Stille in unserem Inneren. Es ist der stille Hintergrund, auf dem all die Gedanken stattfinden können.

Außengeräuschen lauschen und Gedankenkarussell verlangsamen

Es mag überraschend und vielleicht paradox klingen. Aber Achtsamkeit für Geräusche im Außen kann eine wertvolle Hilfe sein, das Gedankenkarussell zu verlangsamen und innere Stille zu finden. Man kann das Geräusch-Meditation nennen. Es ist eine Übung in Präsenz.

Für Meditation müssen Sie gar nicht im Schneidersitz auf dem Boden sitzen. Sie dürfen das natürlich gerne tun. Doch Sie können auch ohne Aufwand an jedem Ort Ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebungsgeräusche lenken und dadurch „den Kopf frei kriegen“. Mehr ist nicht zu tun. Das lässt sich am Arbeitsplatz machen, im Auto, beim Abwasch in der Küche oder in der Warteschlange im Supermarkt.

Am Anfang erfordert es natürlich etwas bewusste Konzentration. Es ist ja schließlich noch recht ungewohnt. Doch je öfter Sie praktizieren, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken, umso schneller wird das zu einer für Sie normalen Gewohnheit.

Auf einzelne Außengeräusche zu achten ist des Pendant zum Betrachten oder Riechen, das ich im Beitrag Sinne öffnen und innere Kraft bekommen beschrieben habe. Bewusste Sinneserfahrungen verlangsamen das Gedankenkarussell und führen zu einem Gefühl innerer Ruhe.

Lauschen Sie jetzt!

Sie meinen vielleicht, dass das, was ich beschrieben habe, zu einfach klingt? Sie können es sich nicht vorstellen? Probieren Sie es aus. Sie werden einen Unterschied bemerken.

Wenn Sie also den letzten Satz hier gelesen haben, denken Sie nicht nach, ob das alles stimmen könnte und ob es was für Sie wäre und wann Sie eventuell mal damit anfangen könnten, sofern Sie mal die Zeit hätten … und weitere Denkgewohnheiten dieser Art. Erlauben Sie sich eine neue, konkrete Erfahrung und erleben Sie sie jetzt.

Lauschen Sie zum Beispiel jetzt dem Summen Ihres PCs. Folgen Sie diesem Geräusch eine Weile. Vielleicht ist es nicht so prägnant und Sie nehmen stattdessen deutlicher Ihr Atemgeräusch wahr? Achten Sie dann einfach darauf. Es klingt beim Einatmen etwas anders als beim Ausatmen. Verweilen Sie ein paar Züge lang beim Atemgeräusch.

Beobachten Sie dann, was in Ihrem Inneren passiert ist. Genießen Sie den stillen Raum, der sich da zwischen den Gedanken  zeigt. Wenn Sie diese kleine Technik öfter anwenden, kann bald zu einer neuen, hilfreichen Gewohnheit (s.a. Lösen aus dem Sog einer Gewohnheit) werden.

Die innere Stille wird dadurch häufiger und deutlicher hervortreten. Das Gedankenkarussell wird langsamer werden.

 

Dipl.-Psych. Anna-Maria Steyer, Beraterin, Trainerin und Supervisorin inspiriert ihre Klienten und Kunden, innere Leichtigkeit wiederzuentdecken und kraftvolle Lösungen in schwierigen Situationen zu finden