Lösen aus dem Sog einer Gewohnheit
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Lösen aus dem Sog einer Gewohnheit

Manchmal spürt man, dass eine Gewohnheit nicht mehr guttut und bleibt doch in ihr gefangen. Das Vertraute gibt Halt, das Neue verlangt Kraft. Zwischen beidem liegt der zähe Moment des inneren Widerstands, der einen wie ein Sog ins Vertraute zurückzieht. Wie kann man sich ihm entziehen, ohne gegen sich selbst zu kämpfen?“

Wenn eine Gewohnheit Halt gibt und zugleich festhält

Eine Gewohnheit entsteht, weil etwas immer wiederholt wird. Jede Wiederholung stärkt die Verbindung im Gehirn. So wird aus einem bewussten Tun mit der Zeit ein vertrautes Muster wird. Dieses Muster wiederum vermittelt Sicherheit und deshalb hat es eine solche Kraft.

Dieses Prinzip gilt für das, was stärkt, ebenso wie für das, was schwächt. Das Gehirn unterscheidet nicht, ob eine Gewohnheit hilfreich oder hinderlich ist. Es speichert einfach, was regelmäßig geschieht, und ruft es später automatisch ab.

Darum fällt Veränderung so schwer. Sobald das Alte aktiviert wird, läuft es schneller ab, als das bewusste Denken eingreifen kann. Das erklärt, warum man sich oft vornimmt, etwas anders zu machen und doch wieder im Vertrauten landet.

Wer das versteht, kann milder mit sich selbst werden. Denn Gewohnheit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck einer tief eingeprägten Sicherheit. Und genau dort liegt auch der Schlüssel zur Veränderung.

Der erste Schritt: bewusst entscheiden

Eine Veränderung beginnt mit einem Entschluss, und dieser braucht einen echten inneren Grund. Nur wenn der Wunsch aus einem selbst kommt, bleibt die Kraft, ihn umzusetzen.

Doch genau an dieser Stelle wird spürbar, wie stark Gewohnheiten sind. Sie laufen von selbst, ohne dass man nachdenken muss. Das fühlt sich vertraut an, angenehm, leicht, beruhigend. Und gerade deshalb fällt es so schwer, sich von ihnen zu lösen.

Doch ab dem Moment, in dem man etwas Neues ausprobiert und es regelmäßig wiederholt, entsteht langsam eine neue innere Stimmigkeit.

Im Beitrag Die Macht alter Gewohnheiten – 6 gute Nachrichten habe ich beschrieben, wie sich Gewohnheiten bilden und warum sie so fest verankert sind. Ein zentrales Prinzip daraus lautet: Wenn man etwas Neues regelmäßig praktiziert, wird es nach etwa sechs Wochen zu einem Automatismus.

Zu Beginn braucht es etwas Willen, doch mit jeder Wiederholung wächst das gute Gefühl, das sich aus der neuen Erfahrung speist (s.a. Gute Vorsätze? So gelingt’s). Das Neue wird vertrauter, das Anstrengende immer leichter, bis es schließlich von selbst Kraft schenkt, so wie einst das Alte.

Wenn kleine Ausnahmen zur Gewohnheit werden

Auf dem Weg zu einer neuen Gewohnheit kann es passieren, dass etwas dazwischenkommt: Ein Tag Pause, eine kleine Ausnahme. Das ist ganz normal. Entscheidend ist, wie man danach weitergeht.

Eine einzelne Ausnahme schwächt den Prozess nicht. Sie wird erst dann hinderlich, wenn sie zur Regel wird. Denn auch das Unterbrechen prägt sich ein. Wer das Neue immer wieder aussetzt, trainiert – ohne es zu merken – genau dieses Unterbrechen.

So entsteht langsam ein anderes Muster: das Muster, etwas zu beginnen und dann wieder aufzuhören. Das Gehirn verankert beides auf dieselbe Weise. Es unterscheidet nicht zwischen dem, was man möchte, und dem, was man vermeiden will. Es merkt sich nur: Das wiederholt sich.

Zu wissen, dass es so funktioniert, kann entlasten. Denn man muss nicht perfekt sein, nur achtsam. Sobald man erkennt, dass eine Ausnahme beginnt, kann man sich entscheiden, weiterzugehen. Mit jedem bewussten Schritt auf das Neue zu wird es wieder ein Stück vertrauter, und das alte Muster verliert an Kraft.

Eine neue Gewohnheit entwickeln – Schritt für Schritt

Der Weg aus einer alten Gewohnheit führt nicht über Kampf, strenge Disziplin oder Selbstkritik, sondern über etwas Neues, das an ihre Stelle tritt. Jede kleine Handlung, die bewusst gewählt und wiederholt wird, stärkt das neue Muster.

Wichtig ist, gleich zu beginnen, ohne zu viel zu überlegen oder darauf warten, dass alles perfekt ist. Denn zu viel Nachdenken öffnet die Tür zurück ins Alte.

In den ersten Wochen entscheidet die Wiederholung. Wer dranbleibt, spürt nach und nach, wie das neue Verhalten leichter wird und eigene Kraft schenkt. Dann ist Veränderung kein Kampf mehr, sondern etwas, das einfach geschieht.

 

Als Diplom-Psychologin, Beraterin, Coach und Supervisorin inspiriert Anna-Maria Steyer Menschen, innere Klarheit, Leichtigkeit und stimmige Lösungen auch in schwierigen Situationen zu finden.